Was ist PrEP?
Das Wort "PrEP" ist die Abkürzung für Präexpositionsprophylaxe und bedeutet auf einen Absatz komprimiert, dass durch die vorbeugende Einnahme des HIV-Medikaments Truvada™ bei Personen mit einem negativen HIV-Status eine Infektion mit HIV verhindert werden kann, wenn es zu sexuellen Handlungen mit Personen kommt, die (unbekannterweise) HIV-positiv sind. Dieser Schutz besteht sogar selbst dann, wenn auf das Kondom als Schutzmaßnahme verzichtet wird.
Es mag auf den ersten Blick etwas verwirrend und abschreckend erscheinen, dass Menschen mit einem negativen HIV-Status absichtlich ein HIV-Medikament einnehmen sollen, um einer Ansteckung mit HIV vorzubeugen. In vielen Köpfen geistert immer noch die Vorstellung umher, dass HIV-Medikamente mit schweren Nebenwirkungen verbunden sind und der Körper in der Langzeitwirkung darunter sehr stark leiden kann (PrEP-Kritiker bzw. -Gegner werfen dabei gerne die Begriffe "Chemie-Cocktail" oder "Chemie-Bombe" in den Raum). Diese Vorstellung ist aber schon seit längerer Zeit überholt und so spricht zumindest vom medizinischen Standpunkt aus gesehen nichts dagegen, dieses Medikament in Form einer Tablette auch als vorbeugende Maßnahme einzunehmen (zu den möglichen Risiken siehe weiter unten).
Ein weiterer Aspekt: PrEP ist gar nicht darauf ausgelegt, ein Leben lang eingenommen zu werden. Im Gegensatz zur HIV-Therapie, die nach jetzigem Stand der Medizin ein Leben lang eingenommen werden muss, wird die PrEP nur solange eingenommen werden, in der z.B. eine sexuelle promiske Phase vorliegt. Diese Phase kann z.B. fünf Jahre, zehn Jahre oder auch 20 Jahre anhalten und dann je nach Lebensumstand vorbei sein (Partner gefunden, Haus gebaut und die Rente genießen, etc) und dann braucht man die PrEP vielleicht gar nicht mehr. Eine "lebenslange Belastung für den Körper" besteht somit gar nicht.
Bei der PrEP kommen die beiden in Truvada™ enthaltenen antiretroviralen Wirkstoffe Emtricitabin und Tenofovir zum Einsatz. Sie verhindern, dass vom HI-Virus befallene Körperzellen in den Schleimhäuten sich weiter vermehren können und unterbinden auf diese Art und Weise eine Infektion mit HIV bei Personen, die negativ sind. Beide Wirkstoffe werden bereits seit fast fünfzehn Jahren in der HIV-Therapie von HIV-positiven eingesetzt. Entsprechend groß sind auch die gesammelten Erfahrungen damit in der Langzeitwirkung.
Wäre die Einnahme mit verbreitet auftretenden schweren Nebenwirkungen oder körperlichen Beschwerden verbunden, hätten sich das Medikament Truvada™ bzw. die beiden darin enthaltenen Wirkstoffe (die übrigens auch in weiteren HIV-Medikamenten zum Einsatz kommen) nicht zu einem so großen (auch finanziellen) Erfolg für den Pharmakonzern Gilead entwickelt. Die große Masse der in Therapie befindlichen HIV-positiven verträgt Truvada™ ohne Probleme und kann ein normales Leben führen. Das gilt natürlich auch für Personen, welche dieses Medikament im Rahmen der PrEP einnehmen.
Es soll hier aber auch nicht verschwiegen werden, dass es (wenn auch seltene) Fälle gibt, wo es zu schwereren Nebenwirkungen oder gesundheitlichen Komplikationen (z.B. eine Verschlechterung der Nierenwerte) kommen kann. Es handelt sich hierbei aber um keine irreversible Schäden und mit Absetzung der PrEP normalisieren sich z.B. die Nierenwerte auch wieder.
Aus diesem Grund sollte die Einnahme von PrEP unbedingt von einem HIV-Schwerpunktarzt begleitet werden, da sowohl einmalig im Vorfeld als auch später regelmäßig während der Einnahme neben dem HIV-Status auch u.a. die Nierenwerte untersucht werden müssen. Zu diesem Zweck wurde eine PrEP-Leitlinie entwickelt, die als Schablone für die erforderlichen ärztlichen Untersuchungen gilt. Und sollten Nebenwirkungen auftreten, können diese dann ebenfalls mit dem Arzt besprochen werden. Bitte beachte dazu auch unsere Seite mit den häufigsten Fragen und Antworten zu PrEP.
Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass bei gewissenhafter Einnahme der PrEP die Schutzwirkung gleichauf oder sogar höher ist als bei Kondomen. Insbesondere in der PROUD-Studie (Großbritannien) sowie in der IPERGAY-Studie (Frankreich) konnte die hohe Schutzwirkung nachgewiesen werden. Dieser Fakt soll aber nicht als Aufforderung verstanden werden, dass zukünftig keine Kondome mehr verwendet werden sollen. Wenn Du mit der Verwendung von Kondomen keine Probleme hast und in der Vergangenheit gut damit klar gekommen bist, besteht kein notwendiger Anlass, diese Strategie von Safer Sex zu ändern. Als zusätzliche Absicherung (Kondome können z.B. in seltenen Fällen reißen) könnte man sich aber ggf. überlegen, PrEP und Kondome zusammen zu verwenden.
PrEP richtet sich in erster Linie an diejenigen, die Kondome aus welchen Gründen auch immer nicht oder nur (noch) selten(er) verwenden können bzw. mögen. Der gut gemeinte Ratschlag oder die Aufforderung "Leute, benutzt doch einfach Kondome!" ist an dieser Stelle viel zu kurz gegriffen. Wäre dieser eine Satz wirklich so einfach umzusetzen, dann wäre die Aids-Epidemie schon längst beendet und wir würden nicht jedes Jahr über 3000 HIV-Neuinfektionen alleine in Deutschland haben. Auch eine mangelhafte Aufklärung spielt hier weniger eine Rolle als einfach die Tatsache, dass Kondome von vielen einfach nur noch als ein lästiger Störfaktor beim Sex wahrgenommen werden.
Ganz wichtig: PrEP verhindert aber nur eine Infektion mit HIV. Mit anderen Geschlechtskrankheiten (die werden allgemein abgekürzt mit STI, "Sexually Transmitted Infections") wie z.B. den Chlamydien, Mykoplasmen, Syphilis oder Tripper kannst Du dich weiterhin infizieren, PrEP schützt Dich davor nicht! Da sich viele Geschlechtskrankheiten aber auch über Schmierinfektionen ausbreiten können, bieten Kondome hier auch nur einen begrenzten Schutz und sind nicht die Allzweckwaffe, mit der sie oft gepriesen werden, um solche Infektionen zu vermeiden. Viele STIs können sich so z.B. auch im Rachen einnisten und dann durch Speichelkontakt ("Loch lecken", intensives Küssen, etc) übertragen werden.
Bezüglich der Sicherheit von Kondomen gegen den Schutz vor anderen STI möchten wir auf noch auf dieses Statement von Dr. Gay verweisen:
Kondome schützen zuverlässig gegen HIV. Sie schützen aber nicht zuverlässig gegen andere STI, es sei denn es findet nur Penetration statt. Das entspricht in der Regel nicht der Realität. Es wird langsam Zeit mit dem Irrglauben aufzuräumen, dass nur Kondome wirksam gegen STI schützen. Ein Kondom schützt nur dort, wo es ist. STI werden aber auch beim Küssen, Streicheln (Schmierinfektion), Lecken, Oralverkehr etc. übertragen.
Sex ist schließlich eine leidenschaftliche Sache, kein theoretischer, steriler Akt. Die Aussage, Kondome schützen wirksam (!) vor anderen STI ist darum irreführend. Sie ist zudem fahrlässig, kontraproduktiv, realitätsfremd und nicht zielführend. Sexuell aktiven Menschen mit wechselnden Partnern wird so eine falsche Sicherheit vermittelt, die gefährlich ist. Denn STI kommen oft ohne Symptome vor, werden nicht erkannt und dadurch weiter verbreitet. Ein besserer Schutz für sich selber und andere ist das regelmäßige Testen von STI (und falls nötig behandeln).
Daher sieht das PrEP-Protokoll auch vor, sich regelmäßig (am besten alle drei Monate) auf andere STI untersuchen zu lassen, um so im Falle einer Infektion die Infektionskette zu durchbrechen und eine Behandlung starten zu können. Ebenso schadet es nicht, sich auch auf Hepatitis C testen zu lassen, da sich diese Infektionskrankheit zunehmend in der Gruppe MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) ausbreitet.
Vom reinen medizinischen Standpunkt aus betrachtet funktioniert die PrEP also sehr zuverlässig. Beeindruckende Zahlen der Londoner HIV-Schwerpunktpraxis "56 Dean Street" zeigen einen Rückgang der HIV-Neuinfektionen um 80 Prozent über die vergangenen zwei Jahren (siehe Grafik; orange Linie zeigt die nahezu gleichbleibende Anzahl der HIV-Tests, die blaue Linie den Rückgang der Infektionen). Solche Zahlen waren vor wenigen Jahren noch nahezu unvorstellbar und sind der "feuchte Traum" eines jeden, der in der HIV-Prävention tätig ist.
Vom soziologischen Standpunkt aus betrachtet wird die PrEP die größte Umwälzung seit dem Beginn der Aids-Epidemie vor 35 Jahren auslösen bzw. hat es in Teilen schon ausgelöst. Dies betrifft sowohl die gesamte Bevölkerung als auch die schwule Community im insbesonderen. Das 30 Jahre lang durch die HIV-Prävention eingetrichterte Dogma, dass nur "Kondome schützen" hat sich tief in alle Köpfe gebrannt. Erst recht bei denjenigen, die Freunde oder Verwandte durch Aids verloren haben.
Damit einhergehend ist bei vielen Leuten die Vorstellung im Kopf verankert, dass kondomloser Sex "verbotener Sex" ist und gegen die allgemeinen Moralvorstellungen verstößt. Jetzt plötzlich wird dieser Schutzwall mit einer einfachen Pille aufgeweicht, wobei man vielleicht selbst viele Jahre lang für das Kondom eingestanden hat. Kritiker befürchten zusätzlich, dass dadurch den anderen Geschlechtskrankheiten Tür und Tor geöffnet wird. Die Beschimpfung von PrEP-Einnehmern als "Virenschleuder" oder "STI-Schlampe"ist dabei noch fast harmlos, teilweise kratzen die Beleidigungen schon an einen Straftatbestand.
Auch hier wird gerne übersehen, dass die Leute schon vor der PrEP-Ära immer häufiger ohne Gummi rumgefickt haben und die Safer-Sex-Kampagnen zu Kondomen ihr Potenzial ausgeschöpft haben. Das muss man nicht mögen oder gutheißen, aber hier mit erhobenen Finger den Moralapostel zu spielen ändert erstens nichts an der Situation und geht zweitens einfach an der Realität in der schwulen Community vorbei. Anders ausgedrückt: Die PrEP wurde nicht deswegen als HIV-Präventionsmethode aufs Spielfeld gebracht, damit man jetzt ohne Kondome seinen Spaß haben kann, sondern weil zunehmend immer mehr Leute bereits ohne Kondome Sex haben und somit zur HIV-Risikogruppe zählen.
Mit der PrEP bietet sich hier die einmalige Chance, den durch die Aids-Krise ausgelösten Tsunami endlich wirkungsvoll trocken zu legen. Die beiden Bausteine "Kondome" und "Schutz durch Therapie" schaffen dies nicht alleine. Nur wenn alle drei Bausteine bzw. Säulen gleichberechtigt als HIV-Präventionsmaßnahme propagiert werden, bekommen wir die HIV-Neuinfektionen gesenkt. Und wenn das PrEP-Protokoll sauber durchgeführt wird und man sich alle drei Monate auf STI untersuchen lässt, dürften sich auch die STI-Fallzahlen mittel- und langfristig sogar wieder verringern, wie erste Ansätze aus London und Berechnungen einer Modellstudie zeigen.
Hier sind natürlich auch die PrEP-Konsumenten in die Pflicht zu nehmen. PrEP ist kein Medikament, welches man einfach mal eben so in den Körper einwirft, um seinen Spaß zu haben. Die dahinter stehende Eigenverantwortung darf nicht unterschätzt werden und wer mit der Einnahme von Pillen seine Probleme hat (Einnahmedisziplin, etc) oder nicht regelmäßig alle drei Monate zum Arzt gehen mag ist eher kein geeigneter Kandidat für PrEP.
Du möchtest Dich weiter über die PrEP informieren? Dann starte gleich weiter zur nächsten Seite. Über viele weitere Themen rund um die PrEP informieren wir ausführlich auf unserer Seite mit den "Häufig gestellten Fragen und Antworten zu PrEP". Außerdem möchten wir Dir noch den folgenden Film ans Herz legen, der ausführliche Informationen zur PROUD-Studie in Großbritannien aufbereitet.